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Partnerschaft als Verhandlungsfrage. Und: Warum die „Trad Wife“ keine Lösung ist

Noch nie waren wir so frei und so gleichberechtigt in unseren Partnerschaften. Und noch nie war es so kompliziert.


Ehe & Partnerschaft: Von der ökonomischen Institution zur Liebesbeziehung

Über viele Jahrhunderte war die Partnerschaft (in Form der Ehe) in erster Linie eine ökonomische Institution: Sie bot Sicherheit und eine wirtschaftliche Haushaltsgemeinschaft. Romantik und Selbstverwirklichung wurden oft auch jenseits der Ehe ausgelebt. Die Rollen waren klar verteilt und damit auch finanzielle wie emotionale Verantwortlichkeiten. Erst seit knapp 150-200 Jahren sind Romantik und Liebes-Imperativ ein fester Faktor bei der Partnerwahl.


Und heute? Heute wählen wir zumindest hierzulande unsere Partner so frei, wie womöglich noch nie in der Menschheitsgeschichte. Wir leben gleichberechtigtere Modelle und setzen emotionale Nähe ins Zentrum der Beziehung. Das ist eine wahnsinnige Errungenschaft, die - zumindest in meinem Fall - viel Glück und Lebensqualität mit sich bringt.


Diese Veränderungen und vermeintlichen Errungenschaften bringen jedoch auch eine neue Komplexität mit sich: Wenn nicht (mehr) von vornherein und unausgesprochen klar ist, wer was "für's Team" übernimmt, dann - Überraschung! - muss man drüber reden. Oder besser: Verhandeln.


Wer geht in welchem Umfang einer Erwerbstätigkeit nach? Wer übernimmt, parallel dazu, die Einkäufe, hält die Wohnung in Schuss, sorgt für saubere Wäsche? Wer organisiert das Sozialleben, das neue Auto und betreut an welchen Tagen nochmal ganz genau von wann bis wann die Kinder?


Die moderne Partnerschaft ist deshalb bei aller Errungenschaft auch eine andauernde Verhandlung.


Die Sehnsucht nach Einfachheit


Es wundert da nicht, dass „Trad Wives“ aktuell so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Eine Welt, in der morgens erst die Kuh gemolken, dann Brot gebacken und dem jüngsten der vielen Babies ein Liedchen vorgeträllert wird, hat für viele Doppelverdienerpaare in schwachen Momenten womöglich wirklich eine gewisse Anmutung.


Der Podcast Feminist Shelf Control hat sich kürzlich das Evie Magazine vorgeknöpft – ein US-amerikanisches Frauenmagazin, das subtil bis subversiv ein reaktionäres Familienmodell propagiert: Die Frau bleibt zu Hause, bekommt Kinder, sieht dabei blendend aus und sorgt dafür, dass ihr Ehemann rundum glücklich ist.


Dass solche Vorstellungen im 21. Jahrhundert wieder Gehör finden, ist Teil des größeren kulturellen „Vibe Shifts“, den wir gerade erleben. Das "Trad Wife"-Ideal verspricht eine einfache Antwort darauf, die Verhandlungsfragen der modernen Beziehung zu umgehen. Verständlich, solange sich viele Frauen wie Männer mit den modernen Rollenbildern legitimerweise überfordert fühlen.


Das Problem: Diese Einfachheit ist eine Illusion. Das traditionelle Hausfrau-Alleinverdiener-Modell mit klaren Rollen, ohne Diskussionsbedarf und Vereinbarungen zu Karriere, Kinderbetreuung und Haushalt – das klingt in der Theorie verlockend, hat aber heute kein rechtliches Fundament mehr. In der Realität ist dieses Modell heute deshalb extrem unklug und mit erheblichen finanziellen und persönlichen Risiken verbunden.


Zumindest dann, wenn man das Modell nicht explizit ausverhandelt! (Und da beißt sich dann die Katze in den Schwanz.)



Die rechtliche Realität: 2008 war ein Wendepunkt


Mit der Unterhaltsrechtsreform von 2008 endete in Deutschland eine Ära. Wer heute „einfach nur“ Hausfrau oder Hausmann sein möchte, setzt sich ohne explizite, vertragliche Absprachen erheblichen Risiken aus.


Die Reform sollte maßgeblich die Eigenverantwortung von Frauen stärken, erwerbstätig zu sein. Geschiedene Alleinerziehende mit Kindern über drei Jahren haben seit der Reform in der Regel keinen Anspruch mehr darauf, dass ihr Ex-Partner ihnen Betreuungsunterhalt zahlt.

"Einmal Zahnarztgattin immer Zahnarztgattin, das gilt nicht mehr." – Brigitte Zypries, damalige Bundesjustizministerin

Gleichzeitig traf die Reform jene, die ihre Entscheidung, zu Hause zu bleiben, Jahrzehnte zuvor unter ganz anderen Voraussetzungen getroffen hatten – und die nach einer Trennung nun plötzlich ohne Absicherung dastanden.


Heute gilt: Ohne gesonderte Vereinbarung gibt es nach einer Trennung keinen grundsätzlichen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt. Und so unromantisch es klingt – die Zahlen sprechen für sich:

  • Scheidungsquote: 2023 lag sie bei etwa 36 % (Statista).

  • Armutsrisiko: Mehr als 40 % aller alleinerziehenden Mütter gelten als armutsgefährdet (Destatis, 2024).


Wer sich für das „Trad Wife“-Modell entscheidet, muss also

a) hoffen, zu den zwei von drei Ehen zu gehören, die nicht geschieden werden – oder

b) frühzeitig mit dem Partner verbindliche Absprachen zu finanzieller Absicherung im "worst case" treffen.

c) sich doch dagegen entscheiden und dafür sorgen, genügend eigenes Erwerbseinkommen zu erwirtschaften.


Zwei Beispiele aus der Realität


Was es in letzter Konsequenz bedeuten kann, sich im Namen der Liebe oder traditioneller Wertvorstellungen dem Trad-Wive-Modell verschrieben zu haben, zeigen Beispiele aus dem echten Leben. Zum Beispiel:


Fall 1: Die Kinderkrankenschwester

Nach 45 Jahren Ehe trennt sich ihr Mann. Sie hatte für die Familie ihren Beruf aufgegeben, sein Vermögen lief auf seinen Namen. Kurz nach der Trennung meldet er Insolvenz an. Mit Anfang 60 steht sie ohne Job, ohne Rücklagen, ohne Absicherung da. Heute lebt sie von einem Aushilfsjob, Bürgergeld und Unterstützung durch die Kinder.


Fall 2: Die, die ihm den Rücken freihielt

15 Jahre lang begleitete sie seinen beruflichen Aufstieg, gab dafür ihren Job auf, organisierte Umzüge und baute für die Familie immer wieder ein neues Zuhause auf. Als er sich trennen wollte und sie finanzielle Ansprüche formulierte, kam die Antwort: „Das Geld habe aber nur ich verdient.“


Der Wunsch nach guten alten Zeiten ist ohne rechtliches Fundament


Das Leben als moderne Frau oder moderner Mann kann fordern, manchmal auch überfordern. Der Wunsch, sich an frühere Rollenmodelle zu klammern, ist verständlich. Rechtlich aber ist er riskant und und finanziell oft naiv.


So oder so: Verhandlung ist Pflicht


Ob 50:50- oder Alleinverdiener-Hausfrau-Modell – ohne ein Mindestmaß an Klärung und Absprache geht es heute nicht. Partnerschaft ist heute in jeder Form eine Verhandlungsfrage.


Dass es früher nichts groß zu verhandeln gab, war vielleicht einfach und hat den Puls in der Beziehung auf niedrigem Niveau gehalten. Es war aber auch weder gleichberechtigt, noch konnte es besonders auf die individuellen Bedürfnisse und Wünsche der Partner:innen eingehen.


Heute können wir gemeinsam festlegen, wie wir leben, wie viel wir arbeiten und unsere Aufgaben aufteilen wollen. Ist das nicht schön?


Damit diese Verhandlung gelingt, braucht es

  • offene Gespräche über Lebensziele, Bedürfnisse, Geld und Karriere,

  • faire Absprachen zur Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit,

  • rechtliche Regelungen, wenn das Gesetz die eigenen Wünsche nicht abbildet,

  • und eine regelmäßige Überprüfung, wenn sich das Leben verändert.


Fazit: Komplexität als Chance


Ja, Partnerschaft ist komplizierter geworden und in jeder Form (auch in der Trad Wive-Variante!) eine Verhandlungsfrage. Die Rückkehr zu vermeintlich einfachen Rollenmodellen ist heute nicht nur ein Rückschritt, sondern ein naives Risiko, das man sich nur leisten kann, wann man ohnehin schon finanziell abgesichert ist.


Aber genau in der Komplexität liegt auch die Chance, sich gemeinsam ein Leben zu schaffen, das man allein womöglich nie haben könnte. Der Weg dahin ist mit vielen wichtigen Gesprächen und womöglich auch der ein oder anderen schwierigen Verhandlung verbunden. Aber er macht sich bezahlt, nicht nur mit Blick auf die wirtschaftliche Eigenständigkeit, sondern auch die Beziehung.



 
 
 

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